Über die Bedeutung von Beziehung in der psychotherapeutischen Arbeit gibt es eine intensive Diskussion. In dieser Diskussion in der bioenergetischen Welt geht
es um die Frage, ob Körperarbeit oder Beziehungsarbeit den entscheidenden Faktor in der Bioenergetischen Analyse darstellt. Es gibt Kollegen, die die Körperarbeit ganz eingestellt haben, weil sie nur
die Arbeit mit der Beziehung für sinnvoll halten.
Ich glaube, daß es hier kein entweder oder gibt. Es ist wirklich unmöglich, ohne Beziehung und Körperarbeit bioenergetische Arbeit zu machen. Eine
Unterscheidung zwischen Beziehung und Körperarbeit ist auch nicht möglich, weil die beiden Begriffe nicht miteinander vergleichbar sind.
Vor der Diskussion über den Umgang mit Beziehung in der Psychotherapie muß geklärt sein, in welchem Sinn das Wort Beziehung gebraucht werden soll. Wenn über
Beziehung gesprochen werden soll, reden wir dann über den selben Prozeß?
1. Eine Definition von Beziehung: Wer zu einer Person eine Beziehung hat, wird sein Verhalten, sein Reden, Denken und seine Emotionen auf diese Person
beziehen. "Ich gehe mit meinem Freund ins Kino", "Ich will mein Leben mit dir teilen", "Ich bin traurig, daß du mich verläßt", "Ich vertraue meinem
Therapeuten", usw.
2. Wenn wir über Beziehung in der Psychotherapie reden wollen, müssen wir verschiedene Bedeutungen dieser Beziehung unterscheiden:
2.1 Zwischen Therapeut und Patient sollte eine positive Beziehung bestehen in dem Sinn, daß der Patient zu seinem Therapeuten Vertrauen haben kann . Es
muß klar sein, daß der Therapeut auf der Seite des Patienten steht.
Der Therapeut muß daher z.B. zuverlässig sein in Bezug auf die Terminabsprachen, die Dauer der Sitzungen, daß sie nicht mit Telefonanrufen unterbrochen werden,
in Bezug auf das Geld, usw.
Ohne solche Grundbedingungen ist keine effektive Therapie möglich, gleichgültig, welches Verfahren benutzt wird.
2.2. Beziehung wird in der Psychotherapie gewöhnlich in der Bedeutung von Übertragung und Gegenübertragung gebraucht: Die Patienten gestalten ihre Beziehung
zum Therapeuten so, wie sie zu Vater, Mutter und Geschwister war. Auf diese Weise wird die Struktur und Dynamik dieser Beziehungen, die dem Patienten vielleicht Schwierigkeiten verursacht haben, in
der therapeutischen Sitzung mit all ihren Emotionen sehr lebendig. Der Patient muß dem Therapeuten nicht erzählen, was früher geschehen ist. Die Szene wird in der therapeutischen Sitzung real
und gegenwärtig, kann beobachtet, analysiert und verstanden werden.
Dieser Aspekt von Übertragung und Gegenübertragung wird zum Schwerpunkt der therapeutischen Arbeit. Man kann sagen, daß Therapeut und Patient sehr bewußt und
gezielt auf dieser Ebene arbeiten.
2.3. Selbst wenn man die Position akzeptiert, daß sich die Beziehungen zwischen menschlichen Wesen immer nach den Mustern strukturieren, mit denen die frühen
Beziehungen zu den Eltern gestaltet waren, es gibt Therapien, in denen diese Strukturen explizit keine Rolle spielen.
So ist das z.B. in erfolgreichen Verhaltenstherapien. Oder es geschieht auch, wenn Patienten in eine Sitzung kommen, sich setzen, zu reden, zu kämpfen, zu
schreien, zu weinen beginnen über ihre Eltern, ohne Kontakt zum Therapeuten.
Ähnliches kann auch in der Körperarbeit geschehen. Die Patienten kommen in einen autonomen Körperprozeß und werden mit biologischen und physiologischen
Prozessen konfrontiert, die für die Klärung und Heilung gute Ergebnisse bringen. Meist brauchen sie zwar die Präsenz des Therapeuten, aber nur, um sie in diesem Prozeß zu schützen und zu
unterstützen. Sie sind weder aktiv Handelnde noch Mitagierende.
2.4. Dann gibt es noch andere therapeutische Settings, in denen die Beziehung zwischen Patient und Therapeut zwar sehr intensiv von Übertragung und
Gegenübertragung bestimmt wird, sie aber nie oder lange Zeit nicht Gegenstand der Erörterung und Reflexion wird.
Patienten mit sehr starken und frühen Konflikten, die viel Halt, Unterstützung und Orientierung brauchen, erzeugen natürlich viel Übertragung und
Gegenübertragung. Aber man sollte sich hüten, diese Beziehungen zu deuten. Man kann damit die Patienten tief beschämen und den therapeutischen Prozeß beschädigen oder gar stoppen.
3. Beziehung ist Kommunikation
Ohne Kommunikation läßt sich zu keinem Menschen eine Beziehung herstellen. Die Beziehung selbst geschieht in permanenter Kommunikation. Ich gebe meinem Partner
Informationen über mich, meine Ideen, meine Bedürfnisse, Gefühle usw., und ich warte auf Antworten. Ich brauche ein "Ja", "Nein", "Vielleicht", usw. Da in der
Psychotherapie der Therapeut versucht, den Patienten irgendwie zu beeinflussen, muß er ihm auch Informationen geben, die ihn beeinflussen können. Also gibt es keine Psychotherapie ohne Information
und Kommunikation. Da aber Kommunikation Beziehung ist, gibt es keine Psychotherapie ohne Beziehung.
3.1. Die gebräuchlichste Form der Kommunikation ist das Gespräch. Mit Worten geben die Menschen Informationen weiter um Beziehung herzustellen. Sie können
meine Worte hören, verstehen und mir antworten.
3.2. Eine spezifische Situation oder die Wünsche unseres Partner können aber auch dadurch bewußt werden, daß ich einen Menschen einfach nur anschaue. Man kann
in seinem Gesicht sein Glück sehen, einem zu begegnen. Auf die gleiche Weise kann man ihm antworten - mit den Gesten des eigenen Körpers. Auf diese Weise kann man ohne Worte mit anderen Menschen
kommunizieren und Beziehung herstellen.
3.3. Die körperliche Berührung des Patienten ist auch in der Bioenergetischen Analyse ein umstrittenes Thema. Mit körperlicher Berührung kann man aber seinem
Partner Informationen übermitteln und solche von ihm empfangen. Wie die Sprache, der Blick, Geruch, usw, ist dies Kommunikation. Es ist eine Möglichkeit, Beziehung zu entwickeln. Natürlich muß mit
Berührung in der Psychotherapie sehr sorgfältig umgegangen werden, genauso sorgfältig wie mit der verbalen Kommunikation. Aber mit einer Berührung kann man einem Menschen etwas sehr schnell und klar
mitteilen.
3.4. Ich denke, es ist uns allen bekannt, daß wir manchmal von jemandem Informationen bekommen, ohne ihn zu hören, zu sehen oder mit ihm zu reden. Plötzlich
weiß man einfach etwas über ihn, fühlt einen Druck, eine Erregung oder Depression im eigenen Körper. Dies kann mit Menschen geschehen, die ganz in meiner Nähe stehen oder sehr weit von mir entfernt
sind. Manchmal hatte man jahrelang von ihnen nichts mehr gehört.
Ich glaube, auch das ist eine besondere Art von Kommunikation, eine pure Übertragung von Informationen. Man kann sie verstehen, wenn man sie mit dem System von
Radio und Fernsehen vergleicht. Wenn Sender und Empfänger sehr exakt auf die gleiche Frequenz abgestimmt sind, kann es zu einer guten Informationsübertragung und Kommunikation kommen. In der
menschlichen Kommunikation wird diese Abstimmung ´Empathie`
genannt. Wir sagen, daß wie auf einer Wellenlänge ´ liegen und uns deshalb gut verstehen. Mit solche einer Empathie kann man andere Menschen sehr tief berühren.
Diese Art von Beziehung und Kommunikation ohne Worte, ohne den Partner zu sehen, ist nichts Geheimnisvolles sondern wird durch die Übertragung von
Informationen möglich. Mit einer guten Einstellung kann sie immer besser werden. Wir sagen dann, daß wir in Resonanz sind.
Nun müssen wir uns aber vergegenwärtigen, daß der menschliche Organismus nicht nur aus Körper, Geist und Seele besteht, sondern auch aus Organen, Zellen,
Molekülen, Atomen und subatomaren Teilchen. Das bedeutet, daß unser Körper eine biologischen und physikalische Struktur hat. Diese physikalische Struktur verursacht auf der atomaren Ebene ein
elektromagnetisches Feld mit einer Strahlung auf spezifischen Frequenzen - genauso wie in der Telekommunikation. Diese Strahlung kann sich in die Umgebung des Körpers ausbreiten und von anderen
empfangen werden.
Deshalb ist es keine nur metaphorische Art und Weise, wenn wir Beziehung ohne Worte und sichtbaren Kontakt mit dem Telekommunikationssystem vergleichen.
Es scheint wirklich so zu sein, als könnten wir einen elektromagnetischen Kanal zu unserem Partner herstellen mit dem wir ihn mit unseren Ideen, Ansichten und
Gefühlen auf einer sehr tiefen Ebene erreichen können. Die ´sehr tiefe Ebene´ meint die subatomare Struktur des Organismus. Diese physikalische oder elektromagnetische Information kann man
Energie nennen.
Das waren bislang sicher nur spekulative Ideen. Aber es gibt inzwischen Möglichkeiten, die Übertragung solcher Energien zu überprüfen. So ist z.B. die
Übertragung von Energien von Heilern sehr erfolgreich nachgewiesen worden, und zwar von dem Physiker Fritz A. Popp.
4. Beziehung in der Psychotherapie ist also die erfolgreiche Kommunikation zwischen Therapeut und Patient, die Übertragung von verschiedenen, aber wichtigen
Informationen, Es gibt verschiedene Kommunikationskanäle, verbale und nonverbale. Alle sind aber körperliche Prozesse und sie berühren den Körper bis hinunter in den subatomaren Bereich hinein.
Deshalb kann die Bioenergetik nicht ohne Beziehung arbeiten und Arbeit mit der Beziehung ist nichts grundsätzlich anderes als Körperarbeit in der Psychotherapie.
Außerdem - Beziehung ist kein Luxus, den man sich gönnt, wenn man schon alles hat, was man braucht. Alle lebenden Organismen und menschliche Wesen brauchen
gute Beziehungen um zu überleben.
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